Winterberg 2012. Dass ich das noch einmal erleben würde… Nach 16 Jahren Abstinenz, nahm ich erstmals wieder am „Magischen Pfingsttreffen“ teil, das vom 25. bis 28.05.2012 im westfälischen Winterberg stattfand. Das 24. übrigens und zum 20. Mal in Folge im Haus Bochum.

Wettermäßig hatte man da in all den Jahren schon so einiges erlebt, bis hin zu Schnee und Hagel, aber selten ein solches Bombenwetter, wie in diesem Jahr.

Bernd Grams und ich waren bereits sehr früh aus Wuppertal angereist, und so trafen wir die Initiatoren Hans-Hermann und Gunhilde Wahl, sowie Frank Moll noch mitten in den Vorbereitungen an. Je näher aber der Zeiger gegen 16.00 Uhr rückte, umso mehr Teilnehmer trudelten ein. Noch bevor das Gepäck verstaut und die Betten bezogen waren, hörte man Kartenmischgeräusche und Begrüßungskorken knallen.

Die Eckenzauberei zog sich übrigens durch die ganzen vier Tage. Vor, während und nach den Mahlzeiten und Events wurde gefachsimpelt, wurden Tipps gegeben und magische Probleme gewälzt.

Man hatte noch nicht einmal alle Bekannten begrüßt und das Abendessen eingenommen, da begann auch schon der Jekami-Abend (Jeder kann mitmachen), eine alte Winterberg-Tradition, bei der innerhalb kürzester Zeit eine abendfüllende Show aus Spontanteilnehmern zusammengestellt wird.

Moderiert von Marc Hoff, war bis weit nach Mitternacht eine tolle Bühnendarbietung, mit 16 Akteuren, auf sehr hohem Niveau zu sehen.

Rick und Mike zeigten eine herrliche „Wetten-Dass-Parodie“, und noch bis spät in die Nacht wurde gegrübelt, wie eine Spielkarte in einen zugeklebten Mund wandern kann.

Neben einem sprechenden Hund waren es in diesem Jahr vor allem die jungen Damen, die sich bald als Favoriten für den „Pokal“ heraus kristallisierten. Kathrin Longerich ließ als Domina, im knallengen Lederkostüm und mit Peitsche bewaffnet, die Männerherzen höher schlagen und Simone Rau,

die letztendlich vom Publikum zur Siegerin gekürt wurde, zeigte eine flotte Mentalnummer in der Art eines sportlichen Wettbewerbs. Mit Kappe und Trillerpfeife spornte sie die Zuschauerassistenten zu körperlichen Höchstleistungen, aber auch zu Zeitlupentempo an.

Julius Frack (Stefan Zucht) leitete den Samstagvormittag mit einem sehr schönen Seminar ein. Die gemalte und sich dann materialisierende Flasche, ein musikalischer Mental-Effekt mit einer Spieluhr, eine Geldschein-Transportation, bei der man einiges Wissenswerte über Banknoten erfahren konnte, sowie die „MenschlicheWaage“ waren nachvollziehbare Kunststücke, zu denen er neben der Erklärung auch wichtige Hinweise zur Requisitenbeschaffung gab. Er gab den Anwesenden den Tipp, ihre Nummern dahingehend zu prüfen, ob sie notfalls auch ohne magische Effekte auskommen könnten. Wie er das meinte, verdeutlichte er noch am selben Abend, bei der Darbietung seiner preisgekrönten Illusionsnummer, im Rahmen der alljährlich stattfindenden öffentlichen Galaveranstaltung. Auch so eine schöne Winterberg-Tradition.

Die Seminarpausen wurden von den meisten Teilnehmern genutzt, um einen Blick auf die Angebote der anwesenden Händler zu werfen. Dies waren die Firma Harry, Kaktus aus der Schweiz und Klaus Kühn. Auch Hakan Varol ließ sich kurz blicken. Neben den üblichen Zubehörartikeln wurden auch brauchbare Zaubertische vorgestellt, so z. B. ein federleichtes, auf Handgepäckgröße zusammenlegbares Modell der Firma Spider.

Das Samstagnachmittag-Seminar gestaltete Ralph A. Uhlig, Inhaber der Firma Kaktus.

Um Nitrocellulose ging es, in der Zaubererwelt besser bekannt unter dem Namen Pyrowatte. Er stellte die verschiedenen Pyroartikel, deren Lagerung und Transport, sowie diverse Arten von Zündern vor und demonstrierte auf eindrucksvolle Weise deren Handhabung, so dass es für einige der Anwesenden stellenweise so aussah, als würde das Haus Bochum das 25. Jubiläum im nächsten Jahr nicht mehr erleben.

Ralph jedoch zuckte nicht einmal mit der Wimper. Er, der hauptberuflich Großfeuerwerke im In- und Ausland betreut, hatte alles im Griff. Trotzdem machte er klar, dass Pyroartikel kein Spielzeug sind, da sie bei „Verpackung“ einen 3,5fach höheren Gasdruck entwickeln können, als Schwarzpulver. Insgesamt ein sehr informatives Seminar, und so manch einer im Auditorium beschloss an diesem Nachmittag, sich in seinen eigenen Darbietungen wieder verstärkt die Eigenmagie des Feuers zunutze zu machen.

Nun stieg aber schon langsam das Fieber, denn die heiß ersehnte Gala rückte näher.

Gegen 19.00 Uhr machten sich die Teilnehmer auf den Weg zum, ca. fünf Autominuten entfernten Atrium des Geschwister-Scholl-Gymnasiums.

Ich war schon eine Stunde früher vor Ort und konnte mich davon überzeugen, dass auch etliche Winterberger Familien den Weg dort hin gefunden hatten. Kein Wunder bei dem angekündigten Programm und einem Eintrittspreis von 12 Euro.

Moderiert wurde die zweistündige Show von Richard Anderson (Dirk Rethfeldt), der unter anderem Agate, seine Karten findende Schlange dabei hatte. Während er die Künstler ansagte, demonstrierte er, wie auf Griechisch gerechnet wird und stellte einen Lügendetektor für das Smartphone, die Pinoccio-App vor.

Den Anfang machten die Shakers, Johannes Klesper und Partnerin. Mit ihrer „Magic Bar“ hatten sie bereits an den letzten Vorentscheidungen zur Deutschen Meisterschaft teilgenommen. Mit viel Magie, Musik und Quick-Change-Effekten wird die romantische Geschichte eines Barkeepers erzählt, der sich in eine schöne junge Frau verliebt, die sich bei strömendem Regen in seine Bar verirrt hat. So richtig was fürs Herz: Happy end inclusive!

Als zweiten Künstler konnte man Ninian (Werner Vollmer) erleben. Mit seiner Nummer, bei der er den Zuschauern wohlige Schauer über den Rücken jagte, war er bereits Dritter bei den Vorentscheidungen zur Deutschen Meisterschaft geworden. Besonders bleibt seine ruhige, ausdrucksvolle Stimme in Erinnerung, mit der er eine unheimliche Geschichte aus dem London des 19. Jahrhunderts erzählt. Auf einer Brücke über der Themse spielt Winston Leaves sein letztes Spiel. Sein Gegenüber - der Tod, der nicht an Geld, sondern an Seelen interessiert ist. Herrlich, die Kulisse und die Requisiten. Alles passt, das Kostüm und das schauerliche Ende.

Dann kam Aktion in die Bude. Die Brakedance-Gruppe „Beat Nuggets“ wirbelte über die Bühne und auch durchs Publikum. Drei Jungs, in Begleitung einer rassigen Schönheit, drehten minutenlang Pirouetten auf dem Kopf. Aus physiotherapeutischer Sicht sicher nicht gut zu heißen, genau wie die 20cm Absätze der Samba-Schönheit. Aber toll!

Als letzte Nummer vor der Pause, in der man sich mit Selbstgebackenem und Getränken stärken konnte, rockten Theresa (Kriegler) und Olli (Oliver Dezes) den Saal. Nachdem Olli zunächst einmal seine Partnerin aus einem Koffer hervorgezaubert hatte, wurden mehrere Quickchanges, sowie eine flotte Ringspiel-Routine gezeigt. „Magic that rocks“ ist der Titel ihrer Darbietung.

Nachdem alle wieder Platz genommen hatten, war zunächst Julius Frack mit einer futuristisch anmutenden D-Lite-Manipulation zu sehen,

bevor dann Dr. Knut Knackstedt den Zuschauerraum in ein Rosenmeer verwandelte und auf mystisch morbide Art den Lebensfaden abschnitt. Wie Ninian, hat auch er die Fähigkeit, mit seiner Stimme eine magische Atmosphäre zu schaffen.

Hier wurde zeitweise aus einer reinen Unterhaltungsshow eine dramatische Inszenierung, denn man hörte und spürte: Dr. Knut Knackstedt weiß, wovon er redet und glaubt an das, was er sagt. Mit einem satanischen Augenzwinkern nahm er so den Zuhörern ein klein wenig die Angst vor dem Tod. Nicht umsonst nennt er sich „Der Mitternachtszauberer“.

Puhh! Da war es wieder Zeit, für ein wenig leichte Kost. Noch einmal stürmten die „Beat Nuggets“ die Bühne und animierten die Zuschauer in den ersten beiden Reihen zum Mittanzen.

Als krönender Abschluss erschien nun noch einmal Julius Frack, der übrigens am 05.03.2012 in Tübingen den Weltrekord „100 Magier in 100 Minuten“ initiierte.

Er zeigte seine Schneidernummer, mit der er im August 2009 Weltmeister in der Sparte Illusion geworden war. Nach einer dynamischen Fingerhut-Manipulation war eine Zombi-Routine mit einer sich drehenden und schneidenden Schere, sowie das magische Ankleiden einer Schneiderpuppe zu bestaunen, welche sich zum Schluss in Partnerin Cindy verwandelte.

Der nach dem Finale einsetzende, nicht endenwollende Schlussapplaus machte deutlich, dass die Veranstalter hier wieder einmal eine Spitzenshow zusammengestellt hatten. Neben den teilnehmenden Künstlern ist dies vor allem auch den Helfern hinter den Kulissen geschuldet, allen voran Henry Wahl, der mit schlafwandlerischer Sicherheit die Technik beherrschte.

Da sollte man doch annehmen, nach solch einem Ereignis sei es erst einmal gut… Nicht aber in Winterberg. Kaum wieder in der Herberge angekommen, zeigten „Mad Pack“ die mittlerweile auch schon zur Tradition gewordene Mitternachtsshow. Hiervon darf jedoch nicht viel nach außen dringen. Das muss man erlebt haben. Nur soviel: Von den 117 Teilnehmern fehlte in diesem Moment nicht ein einziger. Wer den Fehler beging, sich während der Pause die Beine zu vertreten, der hatte anschließend Schwierigkeiten, zu seinem Platz zurück zu gelangen. Wer das Motto von Winterberg, welches da lautet: „Lieber einen guten Freund verlieren, als auf einen Gag verzichten“, bis jetzt nicht nachvollziehen konnte, der wusste nach dieser Show Bescheid.

Ingo Ahnfeldt referierte am Sonntagvormittag über seine Methoden, unbemerkt an Zuschauerinformationen heran zu kommen. Im ersten Teil zeigte er eine sehr clevere Methode, die Handynummer eines Zuschauers zu erraten. Hierbei kommt ein chemisches Prinzip zum Einsatz, das mittels Thermopapier und alkoholhaltigem Stift zu einem kleinen Mentalwunder wird. Weiter stellte er einen Buchtest vor, den man spontan mit jedem ausgeliehenen Buch vorführen kann, sowie seine Version des Center-Tear.

Der zweite Teil seines Seminars war den Karten gewidmet. Hier demonstrierte er sehr pfiffige Methoden, an Informationen heranzukommen und dies mit Timing und Körpersprache geschickt zu kaschieren.

Nachmittags war dann Dr. Knut Knackstedt auch als Seminarist zu erleben. Hier erklärte er den faszinierten Zuhörern, wie er am Abend zuvor seine Wunder zuwege gebracht hatte.

Er ließ sich jedoch auch darüber aus, wie er zu seinen Vorführungen gelangt. Für ihn kommt der übliche Weg nicht in Frage, wobei bei einem Händler ein Trick erworben und sich dann dazu eine Geschichte überlegt wird. Bei ihm steht die Geschichte, das was er sagen will, am Anfang. So erreicht er eigentlich die von Julius Frack angestrebte Vision, eine Darbietung, die notfalls auch ohne magische Effekte funktioniert.

Noch immer war kein Wölkchen in Sicht und so machte die obligatorische Grillfete doppelten Spaß. Zu Steaks und Bratwurst gab es diverse Salate, die die Küchenfeen, denen für ihre Geduld und ihr Durchhaltevermögen während der gesamten Veranstaltung ein riesiges Lob gebührt, gezaubert hatten.

Um 20.00 Uhr hieß es dann: „Vorhang auf zur Close-up-Gala!“ in vier verschiedenen Räumen. Von Marc Weide anmoderiert, zeigten sechs Künstler ihr mikromagisches Können. Unter anderem auch Patrick Lehnen, der im letzten Jahr Deutscher Meister in der Sparte Kartenmagie geworden ist. Karten und Münzen verschwanden und man munkelt, auch eine halbe Flasche Jägermeister.

Wer jetzt noch immer nicht genug hatte, und das waren die meisten, der sah sich auch noch die zweite Mitternachtsshow, die „Bizzar-Nacht“ an. Die Hannoveraner Zauberfreunde Ninian, Wiesel und Jora nahmen die Zuschauer mit auf eine Reise zur dunklen Seite der Magie. Stilecht, vor dem Hintergrund des großen Kamins, riefen sie Geister herbei und lehrten die Unermüdlichen das Gruseln.

So ging am Montagmorgen ein unvergessliches Pfingsten zu Ende. Während die einen schon das Gepäck verstauten und sich von alten und neuen Freunden verabschiedeten, schlenderten die anderen noch einmal über den Flohmarkt, der von jeher den Abschluss des Pfingsttreffens einläutet.

Fazit: Winterberg lohnt sich immer! Wer bereit ist, sein Bett zu beziehen und sein Geschirr selbst wegzustellen, der bekommt für ca. 130,00 Euro etwas Einmaliges geboten.

Atilla Peken

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